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"Wir brauchen eine Renaissance der Innenstädte"

Beim Kongress "FrankfurtRheinMain baut!" diskutierte Verbandsdirektor Thomas Horn über Strategien für lebendige Innenstädte

Unerschwingliche Mieten, der Siegeszug der Online-Versandhändler und finanzielle Pandemie-Belastungen tragen dazu bei, dass sich Kleingewerbe und kleinere Einzelhändler immer öfter aus Innenstadt-Lagen zurückziehen und ihr Geschäft aufgeben. Zurück bleiben zunehmend öde wirkende Innenstädte, geprägt von Mono-Strukturen, uniformen Ladenzeilen und Gebäudeleerständen. Doch wie können die Innenstädte unserer Kommunen revitalisiert werden?

Unter dem Motto „Lebendige Innenstädte – gesucht: Chancendenker oder Leerstandsverwalter?“ diskutierte Thomas Horn, Verbandsdirektor des Regionalverbands FrankfurtRheinMain, diese Frage beim diesjährigen Kongress „FrankfurtRheinMain baut!“ mit anderen Fachleuten. „Wir brauchen eine Renaissance der Innenstadt als Lebens- und Aufenthaltsort“, plädierte Horn auf dem Podium. Für die Belebung der Innenstädte seien individuelle Stadt-Strategien notwendig, die sich an Stärken, Schwächen und Zielvorstellungen der jeweiligen Kommune orientierten.

Einzelhandel allein sei jedoch noch kein Garant für gut frequentierte innerstädtische Stadtviertel voller Lebensqualität und Flair, so der Verbandsdirektor. Dafür brauche es vielmehr eine „vielfältige und resiliente Mischung aus nicht-störenden Handwerksbetrieben, Lebensmittel-Einzelhändlern, Kleingewerbe-Mix, Arbeitsplätzen, ärztlichen Dienstleistungen und soziokulturellen Angeboten wie Bibliotheken, Volkshochschulen, Musikschulen und Betreuungseinrichtungen.“

Eine Aufgabe ist es, den öffentlichen Raum der Innenbereiche aufzuwerten. Horn nannte hier klassisches Standortmarketing, infrastrukturelle Maßnahmen, keine „Vergrämung“ der Autofahrer, Sicherheit, Beleuchtung, Sauberkeit und Digitalisierung (WLAN). Ein weiterer Faktor ist die Option, im urbanen Gebiet auf ein bestimmtes Nutzungsverhältnis zu verzichten und damit ein vielfältiges Miteinander von Wohn- Lebens- und Arbeitsformen zu ermöglichen.

Wie können Städte und Gemeinde das Ganze konkret anpacken? Mit dem gemeindlichen Vorkaufsrecht und dem städtebaulichen Vertrag verwies der Chef des Regionalverbandes auf die Planungsinstrumente, die im Sinne lebendiger Innenstädte konsequent zu nutzen seien. Weiteres Stichwort war die „Tabuisierung der grünen Wiese“ – also den Bau neuer Einkaufszentren vor den Stadttoren zu vermeiden, um die Bestandsgeschäfte in der City nicht zu schwächen und Kaufkraft abfließen zu lassen.

Interessante Best-Practice-Beispiele für funktionierende und innovativ aufgestellte Innenstadt-Bereiche sowie engagierte Kommunen gibt es. „Im Verbandsgebiet sind es beispielsweise Bad Vilbel, Hofheim, Kelkheim und Hanau, die eine besondere Resilienz während der Pandemie bewiesen haben“, sagte Horn.

Ein Umdenken findet mittlerweile auch bei klassischen Anbietern auf der „grünen Wiese“ statt. Als echter Frequenzbringer erweist sich etwa der IKEA, der in der Fußgängerzone in Hamburg-Altona angesiedelt ist. „Eine solche Entwicklung wäre vor 10 Jahren noch nicht denkbar gewesen. Das ist ein Beispiel, dass auch großflächiger Einzelhandel in innerstädtischen Langen realisierbar ist“, so Horn.

In diesem Zusammenhang ist auch die Initiative „summer of Pioneers“ im nordhessischen Homberg (Efze) zu nennen. Dabei werden Kreative und Digitalarbeitende aus urbanen Milieus eingeladen, um im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis im ländlichen Kontext zwischen Car-Sharing, Gigabit-Anschluss und Co-Working Spaces neue Formen der Arbeit zu erkunden.

Zudem blickte Thomas Horn nach Paris. Dort setzt sich die öffentlich-private Gesellschaft Semaest seit 30 Jahren dafür ein, die kleinteilige Einzelhandels- und Kleingewerbestruktur in den Arrondissements und so auch die charakteristische Identität der Bezirke zu bewahren. Sprich: Unter dem Motto „Vital’Quartier“ kauft die Gesellschaft Semaest im Zuge des städtischen Vorkaufsrechts leerstehende Gewerberäume, renoviert und vermietet sie für einen Zeitraum von 3, 6 oder 9 Jahren. Die Kandidaten für die Räume müssen sich bewerben und werden in einem aufwändigen Verfahren ausgesucht.

Für alle, die die unsicher sind, ob ihre Geschäftsidee überhaupt funktioniert, gibt es an der Seine eine weitere, wahrscheinlich einzigartige Option: Beim Programm „testeur de commerce“ können sich angehende Ladenbesitzer ein Ladenlokal im 10. oder 11. Pariser Bezirk zur Probe mieten – und dann bis zu vier Monate lang ausprobieren, wie sich das Geschäft unter Realbedingungen entwickelt.

Weitere Infos:


 

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